Berufsverband der
Gebärdensprachdolmetscher/-innen
in Norddeutschland (BGN) e.V.

zur Auswahl

Arbeitsbedingungen für
Gebärdensprachdolmetscher/innen

Doppelbesetzung

Der Einsatz in Einzelbesetzung, also von nur einem/einer Dolmetscher/in, ist oft nicht ausreichend für eine vollständige und korrekte Verdolmetschung. Dies ergibt sich aus den Anforderungen des Simultandolmetschens. Im Lautsprachbereich ist schon lange bekannt und anerkannt, dass längeres ununterbrochenes Simultandolmetschen zu Lasten der Richtigkeit geht und somit die Qualität der Arbeit nachhaltig negativ beeinflusst wird. Untersuchungsergebnissen zufolge steigt die Fehlerrate innerhalb der ersten 30 Minuten konstant an, wobei nach 30 Minuten durchgehenden Dolmetschens ein signifikanter Anstieg schwerer inhaltlicher Fehler beobachtet werden konnte (vgl. Vidal 1997). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Urteilsfähigkeit der Dolmetscher/innen über ihre eigene Leistung proportional zum Anstieg des Fehlerquotienten abnahm.

Hinzu kommen Ermüdungserscheinungen als Folge komplexer mentaler Prozesse und der hohen Konzentration, die Dolmetscher/innen aufbringen müssen, um Aussagen wahrnehmen, verstehen, analysieren und in der anderen Sprache gleichzeitig wiedergeben zu können. Dieser Ermüdung und der damit einhergehenden Abnahme der Dolmetschqualität kann dadurch vorgebeugt werden, dass Dolmetscher/innen im Team arbeiten. Beim Teamdolmetschen wechseln sich die Kolleg/innen in regelmäßigen Abständen ab. Der/die scheinbar passive Dolmetscher/in hat jedoch keine Pause im eigentlichen Sinn, sondern muss weiterhin konzentriert zuhören/zusehen, um den/die aktive/n Kollegen/Kollegin unterstützen zu können und somit für einen möglichst reibungslosen und fehlerfreien Verlauf der Kommunikation zu sorgen. Trotz Doppelbesetzung sind nach einer gewissen Zeit zur mentalen und körperlichen Regeneration der Dolmetscher/innen Pausen notwendig.

Da das Gebärdensprachdolmetschen eine hochrepetitive und einseitige Belastung der Muskeln und Gelenke mit sich bringt, müssen diese Regenerationszeiten beachtet werden, um körperlichen Folgeschäden (wie beispielsweise dem RSI Syndrom, das im schlimmsten Fall zur Berufsunfähigkeit führen kann), vorzubeugen. Es wird daher empfohlen, die vertretbare Tageshöchstbelastung von in der Regel 4 Stunden Dolmetschzeit bei 10 Minuten Pause pro Zeitstunde nicht zu überschreiten (vgl. Maßmann 1995).

Die Zeitspanne des Wechselns und die Häufigkeit der Pausen sind zudem von der jeweiligen Situation abhängig. In Situationen mit vielen Störgeräuschen (Gebärdensprachdolmetscher/innen können nicht wie Fremdsprachendolmetscher/innen in schallisolierten Kabinen sitzen), hoher Informationsdichte und schnellem Rednerwechsel ist eventuell eine höhere Frequenz an Pausen und Wechsel notwendig, als in Situationen, in denen kaum Störschall besteht und ein Redner seinen Text ruhig vorträgt.

Dolmetscher/innen unterliegen einer Berufs- und Ehrenordnung, daher verbietet es sich ihnen, zu Bedingungen zu arbeiten, die einer gewissenhaften Ausübung ihrer Tätigkeit zuwiderlaufen. Da auch die geringsten inhaltlichen Verzerrungen in der Verdolmetschung unüberschaubare Folgen für die an der Kommunikationssituation Beteiligten haben können, sollten die o.g. Empfehlungen befolgt werden, um unnötige Fehlleistungen und damit verbundene Risiken zu minimieren.

Literatur:

2004-09-07 zur Startseite

nach oben